Kampf um Ressourcen-Gerechtigkeit!
"Was ich vermisse, ist Kreativität im Welterbetal. Da erlebe ich, dass hungrig herum laufende Touristen
in einer Bäckerei nach belegten Brötchen fragen und abgespeist werden mit der Antwort: Uffschnitt ist
aus, statt dass jemand ins paar Meter entfernte Lebensmittelgeschäft geht und Uffschnitt holt... Ödnis,
kein ansprechendes Ambiente. Touristen irren herum mit der Frage in den Augen: Ja, wo ist sie denn, 
die Schönheit? Das kulinarische Angebot versteckt sich gut. Kleine Gerichte und Snacks im Zentrum?
Uffschnitt ist aus!"
...liegt aber im toten Winkel

In Andernach gibt´s Uffschnitt in Hülle und Fülle. Die Schönheit muss man auch nicht unterm
Gullydeckel suchen. Aber die Stadt liegt - trotz dem Geysir - im toten Winkel des Rhein-
tourismus, weder im oberen Mittelrheintal noch am Drachenfels. Von Besucherströmen wie
in Koblenz, Linz oder St. Goar kann man hier nur träumen. Der Linienverkehr der "Köln-
Düsseldorfer" fährt die Stadt schon seit Jahren nicht mehr an. Auswärtige Investoren wittern
hier keine großen Renditechancen. Und einheimische Unternehmer können ein Hotel-
projekt mit Baukosten im zweistelligen Millionenbereich wohl nicht schultern. Bisher also
steht Andernachs neues "Römer Areal" trotz Fünf-Sterne-Lage unter keinem guten Stern...
 
Andernach hat Kreativität und jede Menge Uffschnitt...

Der Anblick des von Archäologen umgepflügten "Ackers" zwischen Rhein und Hochstraße
geht inzwischen auch dem gutmütigsten Andernacher auf die Nerven. Hochklassige Hotels
wirken städtebaulich oft Wunder, werten ehemalige Brachen auf, weil sie, im Gegensatz zu
Lagerhallen oder Tankstellen, auch architektonisch gefallen müssen. Mit einem Wellness- 
und Kongresshotel direkt am Rhein - statt auf einer Anhöhe über dem Rhein - könnte
Andernach den entscheidenden Tigersprung machen und Mitbewerber distanzieren. Die
Rückständigkeit von Hotellerie und Gastronomie am Mittelrhein ist notorisch. Zur Illu-
stration ein Leserbrief aus der Rhein-Zeitung, der sich, wohlgemerkt, auf einen anderen     
Ort bezieht:
Andernacher Bürger installierten diese nicht
mehr ganz taufrischen Heliostate auf den
Höhen von Leutesdorf, um Sonnenlicht auf
die linke Rheinseite umzulenken und Wein
am Krahnenberg anbauen zu können. Die
Geräte wurden aber von Leutesdorfern (?)
wieder entfernt. Seitdem hängt der Haus-
segen zwischen den Nachbargemeinden
schief (Ausschluss aller Andernacher vom
Leutesdorfer Winzerfest, keine Fahrt des
Geysir-Schiffes mehr nach Leutesdorf und
andere schmerzhafte Einschnitte).
"Arschlöcher - dieses Dorf verstößt 
gegen das Gleichheitsprinzip des
Grundgesetzes!"
Gegen den Urheber dieser Äußerung
strengt die Initiative "Kein Hass im
Netz" derzeit ein Seitenausschluss-
verfahren an.
"Solche Ausdrücke
verwende ich nie!"
Die Iren und ein Bayer kamen - und gingen wieder

Zunächst schien alles gut anzufangen. Nach einer europaweiten Ausschreibung zur Bebauung
des Areals entschied sich die Stadt unter zwei Bewerbern für eine irische Investorengruppe.
Diese wollte ein Vier-Sterne-Hotel mit Wellness-Bereich und Tiefgarage sowie Wohnhäuser
an der Hochstraße bauen. Das Hotel, so die otimistische Planung, sollte spätestens zur
Bundesgartenschau 2011 in Koblenz fertig sein. Mit der Lindner-Gruppe gab es schon einen
potentiellen Betreiber - obwohl die Kettenhotellerie sonst einen Bogen um kleine Städte
macht. Doch dann sagte der irische Investor "Goodbye", angeblich wegen der Finanzkrise.
Als nächstes stellte sich ein bayrischer Immobilienentwickler vor, der bisher noch nichts
entwickelt hatte. Er schlug der Stadt ein Gesundheitshotel vor, mit dem unschlagbar antik
klingenden Namen "Forum Romanum". Die auf dem Gelände freigelegten römischen Aus-
grabungsfunde sollten in den Komplex integriert werden. Doch als die Stadt nach der
Finanzierung fragte, bekam die Lederhose kalte Füße und sprang ab.
Neue Kunden braucht die Stadt

Ob ein First Class Hotel ein Gewinn für Andernach wäre, bezweifeln manche, vor allem
natürlich die einheimischen Hoteliers. Der Oberbürgermeister und die Mehrheit im Stadtrat
sehen in dem Projekt dagegen ein Vehikel, um eine Klientel nach Andernach zu locken, die
es hier bisher nicht gab, von der auch der einheimische Handel profitieren könnte. Der
Betrieb eines hochwertigen Hotels ist langfristig nur profitabel, wenn verschiedene Ziel-
gruppen adressiert werden, die eine ganzjährige Auslastung garantieren. Dann müsste ein    
in der Innenstadt gelegenes Hotel eigentlich viel besser funktionieren als die isolierten
Höhenhotels, wie es sie anderswo im Mittelrheintal gibt.* Die alteingesessenen Betriebe
wären dagegen nicht gefährdet, weil der Neuzugang in einer anderen Liga spielte.
Seit dem Abriss der Malzfabrik Weissheimer ist in der sonst so beschaulichen Bäckerjungen-
stadt ein permanentes Schreien zu vernehmen: Es ist die riesige Brache am Rheinufer,
zwischen Kirch- und Schaarstraße, die verzweifelt nach einer neuen Nutzung schreit - bis
dato jedoch vergeblich. Denn die Stadt tut sich schwer mit der Suche nach einem Investor.
Dabei ist nicht nur Stadtrat Hans Schwarz-Heintges von der Freien Wählergruppe überzeugt:
"Eine Stadt, deren Bevölkerung abnimmt, muss etwas dagegen unternehmen, muss Lust auf
sich wecken. Für das ehemalige Weissheimer-Gelände ist eine sinnvolle Verwendung absolut
geboten."
*) Beispiel für ein 4-Sterne-Wellnesshotel am
Mittelrhein: das Schlosshotel Rheinfels
oberhalb von St. Goar. Das vielfach aus-
gezeichnete Haus vis-à-vis der Loreley hat
allerdings nur 63 Zimmer und einen relativ
kleinen Wellnessbereich. Außerdem fehlt dem
Höhenhotel die direkte Verbindung zur Stadt
und zum Rhein. Dasselbe gilt auch für das Golf-
und Wellnesshotel Jakobsberg des Haribo-Chefs
Hans Riegel oberhalb von Boppard.
© 2009-2023 Wolfgang Broemser
Der aufgeschobene Tigersprung oder: Warum hat keiner Lust auf uns? 
"Es gibt nichts Gutes, außer man schluckt es - Prost!" Schwipsi Kästner