Warum hat eigentlich keiner Lust auf uns?
Seit dem Abriss der Malzfabrik Weissheimer ist in der sonst so beschaulichen Bäckerjungenstadt ein permanentes
Schreien zu vernehmen: Es ist die riesige Brache am Rheinufer, zwischen Kirch- und Schaarstraße, die verzwei-
felt nach einer neuen Nutzung schreit - bis dato vergeblich. Denn die Stadt tut sich schwer mit der Suche nach
einem Investor. Dabei ist nicht nur Stadtrat Hans Schwarz-Heintges von der Freien Wählergruppe überzeugt:
"Eine Stadt, deren Bevölkerung abnimmt, muss etwas dagegen unternehmen, muss Lust auf sich wecken. Für
das ehemalige Weissheimer-Gelände ist eine sinnvolle Verwendung absolut geboten."
Die Iren und ein Bayer kamen - und gingen wieder
Zunächst schien alles gut anzufangen. Nach einer europaweiten Ausschreibung entschied sich die Stadt unter
zwei (!) Bewerbern für eine irische Investorengruppe. Die Iren wollten ein Vier-Sterne-Hotel mit Wellness-
Bereich und Wohnungen auf dem Weissheimer-Areal errichten. Das Hotel, so die optimistische Prognose, sollte
spätestens zur Bundesgartenschau in Koblenz fertig sein. Mit der Lindner-Gruppe empfahl sich sogar schon ein
Betreiber - obwohl die Kettenhotellerie sonst einen Bogen um kleine und mittelgroße Städte macht. Dann aber
sagte der irische Investor, angeblich wegen der Finanzkrise, "Goodbye". Als nächstes klopfte ein bayrischer Immo-
bilienentwickler an, der bisher allerdings noch nichts entwickelt hatte. Er schlug der Stadt ein Gesundheitshotel
mit dem unglaublich antik klingenden Namen "Forum Romanum" vor. Die auf dem Gelände freigelegten römi-
schen Ausgrabungsfunde wollte er in den Komplex integrieren. Doch als die Stadt nach der Finanzierung fragte,
bekam die Lederhose kalte Füße und machte sich vom Acker.
Neue Kunden braucht die Stadt!
Ob ein First Class Hotel ein Gewinn für Andernach wäre, bezweifeln manche, vor allem, was nicht erstaunt,
die einheimischen Hoteliers. Der Oberbürgermeister und die Mehrheit im Stadtrat sehen in dem Projekt aber
ein Mittel, um eine neue Klientel mit genügend Kleingeld in die Stadt zu locken, von der der einheimische Handel
verstärkt profitiert. Der Betrieb eines hochwertigen Hotels lohnt sich allerdings nur, wenn verschiedene Ziel-
gruppen angesprochen werden, sodass der Betrieb ganzjährig gesichert ist. Dann müsste ein in der Innenstadt
gelegenes Hotel besser funktionieren als die isolierten Höhenhotels, wie es sie am Mittelrhein schon gibt.* Die
alteingesessenen Herbergen wären nicht gefährdet, weil der Neuzugang in der "Champions League" spielte.
Andernach hat Kreativität und jede Menge Uffschnitt...
Der Anblick der von Archäologen umgepflügten Brache zwischen Rhein und Hochstraße verärgert inzwischen
auch die geduldigsten Zeitgenossen. Hotelneubauten können Wunder wirken, da sie Brachen aufwerten und,
im Gegensatz zu Lagerhallen oder Tankstellen, auch architektonisch gefallen müssen. Mit einem Wellness- und
Kongresshotel direkt am Rhein - statt auf einer Anhöhe über dem Rhein - könnte Andernach einen Tigersprung
machen und die regionale Konkurrenz abhängen. Die Rückständigkeit von Hotellerie und Gastronomie am
Mittelrhein ist notorisch. Zur Illustration ein Leserbrief aus der Rhein-Zeitung, der sich, wohlgemerkt, nicht
auf die Bäckerjungenstadt bezieht:
...liegt aber im toten Winkel
In Andernach gibt´s Uffschnitt in Hülle und Fülle. Auch die Schönheit muss man nicht unter dem Gullydeckel
suchen. Aber die Stadt liegt - trotz dem Geysir - im toten Winkel des Rheintourismus, weder im oberen
Mittelrheintal noch am Drachenfels. Von Besucherströmen wie in Koblenz, Linz oder St. Goar kann sie nur
träumen, besonders von Reisenden, die länger verweilen und ein Hotelbett benötigen. Daher dürfte es alles
andere als einfach sein, einen auswärtigen oder einheimischen Investor davon zu überzeugen, hier ein Hotel-
projekt mit Baukosten im zweistelligen Millionenbereich zu verwirklichen. Bisher steht das "Römer Areal"
der Stadt trotz Fünf-Sterne-Lage unter keinem guten Stern...
"Wurst und süßes Bier wecken den Tiger in dir!" Historische Werbung mit Malzi
* Beispiel für ein 4-Sterne-Wellnesshotel am Mittelrhein:
das Schlosshotel Rheinfels oberhalb von St. Goar.
Das vielfach ausgezeichnete Haus vis-à-vis der Loreley
hat allerdings nur 63 Zimmer und einen relativ kleinen
Wellnessbereich. Außerdem fehlt dem Höhenhotel die
direkte Verbindung zur Stadt und zum Rhein. Dasselbe
gilt auch für das Golf- und Wellnesshotel Jakobsberg
des Haribo-Chefs Hans Riegel oberhalb von Boppard.
© 2009-2024 Wolfgang Broemser
Kampf um Ressourcen-Gerechtigkeit!
Andernacher Bürger installierten diese
nicht mehr ganz taufrischen Helio-
state auf den Höhen von Leutesdorf,
um Sonnenlicht auf die linke Rheinseite
zu lenken und Wein am Krahnenberg
anbauen zu können. Die Geräte wurden
aber von Leutesdorfern (?) wieder ent-
fernt. Seitdem hängt der Haussegen
zwischen den Nachbargemeinden
schief (Ausschluss aller Andernacher
vom Leutesdorfer Winzerfest, keine
Fahrt des Geysir-Schiffes mehr nach
Leutesdorf und andere schmerzhafte
Einschnitte).
"Arschgeigen - dieses Dorf verstößt
gegen das Gleichheitsprinzip des
Grundgesetzes!"
Gegen den Urheber dieser Äußerung
ermittelt derzeit die Polizei, nachdem
der Post dem Portal "Hessen gegen
Hetze" gemeldet wurde.
"Solche Ausdrücke
verwende ich nie!"
"Was ich vermisse, ist Kreativität im Welterbetal. Da erlebe ich, dass hungrig herumlaufende Touristen in einer
Bäckerei nach belegten Brötchen fragen und abgespeist werden mit der Antwort: Uffschnitt ist aus, statt dass
jemand ins paar Meter entfernte Lebensmittelgeschäft geht und Uffschnitt holt... Ödnis, kein ansprechendes
Ambiente. Touristen irren herum mit der Frage in den Augen: Ja, wo ist sie denn, die Schönheit? Das kulina-
rische Angebot versteckt sich gut. Kleine Gerichte und Snacks im Zentrum? Uffschnitt ist aus!"