Fotos: Stadtmuseum, Weissheimer KG
"So ein Arzt ist ja ´ne Krankheit!
Ich trinke nur Red Bull, du weiß
lackierter Schluckspecht!"
            Sagt definitiv kein Arzt. 
Nach der Wiedervereinigung ging´s bergab

Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands und Europas stellten sich Probleme ein.     
Die neue Situation verleitete Weissheimer offenbar zu einer ungebremsten Expansion in
Osteuropa. 2006 geriet die Mälzerei in Zahlungsschwierigkeiten und musste zweimal
Insolvenz anmelden. Gründe waren, so der Insolvenzverwalter, die starke Expansion des
Hauses im Osten und ein Einbruch des Malzpreises. Dadurch verlor das Unternehmen
offenbar seinen Kredit bei den Banken. Es musste sich den Bedingungen eines Investors,    
der russischen Avangard-Gruppe, beugen. Um seine Schulden zu tilgen, trennte sich Weiss-
heimer von seinen Produktionsstätten und Tochterfirmen. Die Betriebe Koblenz, Bremen,
Gelsenkirchen und Großaitingen gingen an die AvangardMalz AG. Durch diesen Erwerb
rückte der russische Investor zu den zehn größten Malzherstellern in Europa auf. Die    
meisten der 130 Arbeitsplätze des Traditionsunternehmens konnten durch die Transaktion
gerettet werden.
Die Töchter überlebten

Prekär war dagegen die Zukunft der Mitarbeiter des aufgelösten Stammwerks in Andernach.
Sie wurden 2006 arbeitslos; der neue Betrieb in Koblenz, der vielleicht einen Teil von ihnen
hätte übernehmen können, wurde erst im Herbst 2008 von Avangard fertiggestellt. Von der
Insolvenz nicht betroffen waren die Tochterfirmen Maltamore (Spezialmalze für die Lebens-
mittel- und Getränkeindustrie), Maltagen (grüne Biotechnologie) und Maltaflor (Dünger auf
Basis von Malzkeimen).
Stadt entwickelte Luxuswohnungen

Teile des ehemaligen Stammhauses von Weissheimer wurden von der Stadt zum Wohn-  
park "Villa Regia" umgewandelt. Hinter den denkmalgeschützten Fassaden entstanden
hochwertige Eigentumswohnungen mit Aufzügen und exquisiten Bädern, Fußbodenheizung
und bis zu fünf Meter hohen Decken. Das Ganze verkaufte sich fix, wohl auch, weil der
Verkauf provisionsfrei war und der Makler mit einem Blick "auf den Rhein und die Wein-
berge von Leutesdorf" warb. Historisch informierte Käufer können sich zudem an dem
Gedanken berauschen, dass an diesem Ort einst ein Hotel stand, in dem ein russischer Zar
und der "Goethe der Franzosen", Victor Hugo, abstiegen. Oder dass hier noch viel früher  
die Franken "in einem ehemals römischen Gebäudekomplex eine Königspfalz einrichteten"
(der Leiter des Stadtmuseums Klaus Schäfer). Der hochtrabende Name des Wohnparks ist
also historisch gerechtfertigt.*
*) Dass Andernach Standort eines merowingischen Königshofes war - auch wenn die Lage der Pfalz nicht  
mehr nachweisbar ist -, geht u. a. aus dem Gedicht Die Moselfahrt von Venantius Fortunatus hervor. Darin be-
schreibt der Dichter und Gelehrte die Reise, die er im Gefolge des jugendlichen Königs Childebert II. im Jahr
588 von Metz aus unternahm. Der spätere Bischof von Poitiers preist Andernach als "prächtigen Ort", über-
ragt von den Zinnen der ehemals römischen Festung, gesegnet mit Rebland, fruchtbaren Feldern und dem
Fischreichtum des Rheins. (Ähnlich angetan, doch zugleich ergriffen von schöner Melancholie, reagiert mehr   
als zwölfhundert Jahre später Victor Hugo auf die Stadt.)   
© 2009-2023 Wolfgang Broemser
"Wer Freundschaft mag und
Einigkeit, der trinkt auch mal 'ne
Kleinigkeit. Doch würzt kein Malz
vom Rhein das Nass, so macht  
das Trinken keinen Spaß!"
Mit diesem Trinkspruch warb
"Deutschlands bestgekleideter
Biertrinker" (Krawatten-Institut,
Krefeld), Spitzname Schwipsi, für
Weissheimer. Half aber alles nix.
"Flügellahm statt Flügel - ich geh' vor Gericht!" Das gute Recht eines Bullen namens Motzki
Die Friedrich Weissheimer KG produzierte Malz für die wichtigsten deutschen Biere und  
für namhafte Bier- und Whiskymarken im Ausland. 2006 jedoch musste das Familien-
unternehmen seine geschäftlichen Aktivitäten in der siebten Generation einstellen. Damit
ging eine 142-jährige Erfolgsgeschichte abrupt zu Ende. Der seit Jahrzehnten abnehmende
Bierdurst der Deutschen dürfte daran nicht ganz unschuldig gewesen sein.

Einst die wichtigste Industriesparte

Der Pfälzer Friedrich Weissheimer hatte die Firma 1864 als erste Malzfabrik Andernachs
gegründet. Er wollte die vielen Brauereien im benachbarten Niedermendig beliefern, die    
ihr Bier in den kühlen Lavakellern der Vulkaneifel lagerten. Ein Jahr später folgte Mengelbier,
dann weitere Betriebe. Ende des 19.  Jahrhunderts war die Malzindustrie die wichtigste
Industriesparte der Stadt. Nach der Erfindung der künstlichen Kälteerzeugung zogen aber  
fast alle Brauereien wieder aus der Vordereifel ab. Nur vier der Andernacher Malzfabriken
überlebten, darunter auch Weissheimer. Sie verstanden es am besten, die günstige Lage am
Rhein zu nutzen. Diese ermöglichte die kostengünstige Anlieferung von Gerste auf dem
Wasserweg und die Verschiffung des Malzes an die Abnehmer. Die Geschäftsführer von
Weissheimer hielten das Unternehmen auch in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
auf Kurs. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich in der Fabrik der größte öffentliche
Luftschutzraum der Stadt.
Auf dem Zenit

Nach 1945 stieg Weissheimer zur größten Mälzerei Deutschlands auf. Im ganzen Land wur-
den Produktionsbetriebe aufgebaut. Zusammen mit den Landwirten prüfte man neue Sorten
von Braugerste, ermittelte, welche Gerste an welchem Standort am besten gedeiht. Man
forschte im Bereich moderner Biotechnologie, stand in engem Kontakt zu brautechnischen
Hochschulen. Weissheimer ließ auch eine selbst entwickelte Waschtrommel zur Reinigung
der Gerste patentieren.
"Es gibt nichts Gutes außer man schluckt es - prost!" Schwipsi Kästner
Zu hoch gepokert: Rückblick auf eine Mälzerei